Sitz, Platz, Verzweiflung

Lange habe ich überlegt, ob ich hier an dieser Stelle überhaut etwas über Erziehung schreiben soll.

Dazu wurden hunderte von Büchern verfasst, Weisheiten verbreitet und Hundeschulen gegründet. Zudem hat jeder Zweibeiner eigene Vorstellungen davon, was er von seinem Vierbeiner erwartet und wie sein erzogener Hund sich zu verhalten hat.

Ich werde deshalb einfach meine Erfahrungen schildern, die ich mit meinen Welpen, den erwachsenen Hunden und mit meinem Rudel gemacht habe. Daraus werde ich versuchen nützliche Tipps zu entwickeln.

Dies ist also nicht als allgemeingültige Bibel der Hundeerziehung zu sehen, bestimmt auch nicht fehlerfrei und ich bin für Verbesserungsvorschläge jederzeit empfänglich.

 

 

Welpenerziehung und Sozialisierung

Wie die Welpenaufzucht bei mir aussieht habe ich ja schon an anderer Stelle beschrieben.

Nun ist es an der Zeit, das die Zwerge in ihr neues Heim ziehen. Das läuft natürlich so ab: Liebevoll wird das zuckersüße Wollknäul auf vier Beinen nach der Autofahrt, die Problemlos auf dem Schoß von Frauchen oder Herrchen verlief im Flur seines neuen Reiches abgesetzt.  Freudig beobachtet nun der Zweibeiner, wie der Zwerg zunächst etwas schüchtern, aber dann immer Selbstbewusster jeden Winkel erkundet. Gleich darauf ist schon Essenszeit, die Mahlzeit wird pünktlich und handwarm im neuen, silber glänzenden Napf serviert. Anschließend gibt es noch eine Führung im Garten, denn die Züchterin hat gesagt, gleich nach dem Fressen muss der Hund sich lösen.  Erschöpft von dem aufregenden ersten Tag, schläft das neue Familienmitglied nun selig auf dem Perserteppich vor der Couch ein.  Jede Regung wird mit Entzückung von der ganzen Familie zur Kenntnis genommen.

So ist es zumindest bei mir gelaufen und bestimmt erkennen sich viele in der Schilderung wieder. Seit ich jedoch ein Mehrhundehaushalt bin, sieht das ganz anders aus.

Das Rudel empfängt einen solchen, kleinen Neuling ganz selbstbewusst, aber mit der Einstellung, das hier ist "UNSER" Reich. Dem Neuling wird ein Plätzchen zugewiesen, von dem er sich wenn überhaupt nur untertänigst fragend entfernen darf.  Die Erziehung beginnt also genau in diesem Moment.

 

Hundetraining nach Rudelart

Natürlich bin auch ich schon seit vielen Jahren Mitglied im Hundeverein. Ich besuchte Seminare und Fortbildungen und dachte, bis ich zum Rudelhalter wurde, das ich meine Hunde ganz gut im Griff hatte. Aber was mit einem oder zwei so leidlich klappt, klappt noch lange nicht mit mehreren. Dafür hat man aber dann die Lehrer vor der Nase.

Die Beobachtung, wie Hunde untereinander agieren, ließ mich immer mehr ins Grübeln geraten. Die Wattebausch, Samthandschuh und Leckerliepolitik, die überall propagiert wird, herrschte in meinem Rudel so gar nicht. Nicht einmal habe ich gesehen, das die Hunde untereinander mit Futterbröckchen um sich warfen und trotzdem hören meine Hunde super aufeinander und leben recht harmonisch zusammen.

Deshalb habe ich versucht dieses Verhalten mehr in meine Erziehung einzubauen.

Auf Leckerlie verzichte ich dabei nicht. Ich nutze die damit verbundene positive Verstärkung gern als menschlichen Vorzug und gleiche damit manchmal mein im Gegensatz zu Hunden schwerfällige Körpersprache aus. 

Ich nutze aber auch drohende Körpersprache als Konsequenz für unerwünschtes Verhalten. Dabei schlage, schüttele oder unterwerfe ich meine Hunde jedoch nicht.  

 

 

 Das Spielverhalten von Welpen und die Beißhemmung

Welpen müssen spielen, aber Spielregeln erlernen. Genau wie Kinder lernen müssen, wann aus Spiel Ernst wird, müssen das auch kleine Hunde lernen. Das Hauptspielzeug sind für Hunde in den ersten Wochen ihre Zähne. Mit ihnen testen sie alles, entweder auf Fress-, oder Spieltauglichkeit. Sehr lästig, wenn man die nadelspitzen Zähnchen immer wieder im Hosenbein, oder den Händen hängen hat.

Untereinander lernen sie die Beißhemmung recht schnell. Wenn der andere quietscht, war es zu fest. Wird dann nicht mit dem Beißen gestoppt, wird vom Gebissenen eine prompte Reaktion kommen.  Meist ein böses Knurren, gefolgt von einer Beißattacke des vorher Gebeutelten. Sozusagen Auge um Auge und Zahn um Zahn. Hat man sich als Opfer einen erwachsenen Hund außerwählt, erträgt dieser es oft zuerst geduldig, bis eine Grenze überschritten wurde. Dann kann man gut beobachten, wie der erwachsene Hund ganz steif wird, den Rotzlöffel mit den Augen fixiert, tief knurrt und sollte das noch nicht gereicht haben das Spiel zu stoppen, den Quälgeist im unteren Brust/Schulterbereich packt und meist auch umstößt, um dann drohend über ihm zu verharren. Das ganze sieht manchmal wirklich rüde aus und wird häufig auch von einem jämmerlichen Quietschen  des Welpen begleitet, aber keine Angst, das ist von beiden Seiten nur Show. Dem Welpen wird dabei kein Haar gekrümmt, aber durchaus ein gehöriger Schreck eingejagt. Je nach Selbstbewusstsein des  Welpen wird er sich auch gleich eine weitere Abfuhr einhandeln, ehe er aber irgendwann auch seine Lektion gelernt hat.

 

Möchte ich nun das Spiel mit meinem kleinen, zuckersüßen Wollknäul auf vier Pfoten beenden, weil grade der Wolf in ihm durchbricht, werde auch ich in meiner Körperhaltung steif und drohend, beginne zu "knurren" und nutze notfalls auch meine Hand als Hundemaulersatz, und schiebe den Welpen an der Brust zurück. Wichtig dabei ist vor allem die Körperhaltung, denn ich bleibe auch ein paar Sekunden nach dem "Schubs" noch drohend über dem Welpen, die Hand kurz über dem Welpenfell schwebend. Schubst man ihn nur einfach von sich, versteht der Hund das unter Umständen als Spiel und wird prompt zurück gerannt kommen und einen weiteren "Angriff" starten.

Bei mir darf ein Welpe nie direkt mit mir Spielen, sprich mir in irgendwelche Körperteile beißen, ich nutze dafür immer ein Spielzeug. Das erspart so manchen Zusammenstoß mit den nadelspitzen Welpenzähnchen.

Mit rund sechs Monaten hat der Hund die meisten bleibenden Zähne, bis dahin ist dann häufig  auch die Beißtestphase vorbei. Also keine Angst, sie haben keinen bissigen und aggressiven Welpen Zuhause! Der will doch nur Spielen!

 

Stubenreinheit

Die Stubenreinheit ist eigentlich nur eine reine Fleißarbeit des Menschen. Hier gilt es den Zwerg gut im Auge zu behalten. Am Anfang ist es notwendig nach jedem Spielen, nach jedem Schläfchen und vor allem nach jeder Nahrungsaufnahme umgehend raus zu gehen. Wenn möglich nehme ich den Welpen dazu sogar auf den Arm und setzte ihn an den von mir gewünschten Ort. Im Schnitt muss sich ein Welpe ca. alle zwei Stunden erleichtern. Meist kündigt es sich durch kurzes Suchen nach der geeigneten Stelle an.

Wenn man seine Sache als Mensch gut gemacht hat, macht der Hund , wenn man ihn an den Ort setzt automatisch, auch wenn er eigentlich gar nicht so dringend muss. Durch ein Wort wie Gassi Gassi Gassi, kann man das noch unterstützen.

Ist doch mal ein Unfall passiert, sollte nicht geschimpft werden. Lediglich wenn man den Zwerg inflagrantie erwischt kann man den Welpen mit einem lauten nein rügen und direkt nach draußen tragen, ehe das Geschäftchen vollendet werden kann. Danach rollen sie eine Zeitung zusammen und schlagen sich dreimal fest auf den Hinterkopf, das begleiten sie mit den Worten "ich habe wieder nicht aufgepasst"! Sie werden sehen im Handumdrehen funktioniert das. 

Nachts schlafen Welpen am besten in einer nicht zu großen Box vor dem Bett (bewährt hat sich die Größe 60 mal 40 cm ausgestattet mit kuschligem Körbchen und Schmusetier zum ankuscheln als Geschwisterersatz). Da sie ungern ihren Platz beschmutzen, werden sie sich durch leichtes Winseln bemerkbar machen wenn sie hinaus müssen. Meine Welpe schlafen mit acht Wochen meist aber bereits bis zu sechs manche sogar sieben Stunden durch.

Praktisch ist auch, das die Box später an jeden beliebigen Ort gestellt werden kann. Da der Hund dann an die Box gewöhnt ist, fällt ihm auch die Umgewöhnung nicht mehr schwer.  

Wichtig, die Box ist keine Aufbewahrungsbox für den "grade nervigen Welpen". Sie sollte wie das Gitterbettchen für ein Kleinkind genutzt werden!

 

 

Folgetrieb

In den ersten Wochen ist es für einen Wolfswelpen unterwegs überlebenswichtig bei seinem Rudel zu bleiben. Deshalb hat er den sogenannten Folgetrieb. Den mache ich mir zunutze und lasse meine Welpen wann immer es geht frei laufen. Zwischendurch rufe ich meinen Welpen immer mal wieder. Wichtig dabei, am Anfang das Rufen am besten dann einzusetzen, wenn er eh grade auf dem Weg zu mir ist. Um den Welpen nicht durch unbewusstes fixieren durch mich zu verschrecken, gehe ich dabei immer ein paar Schritte rückwärts und vermeide so auch das nach vorne beugen, das von den meisten Hunden als Drohgebärde gesehen wird. Am Ende gehe ich dann in die Hocke. Um das Ganze noch positiv zu bestärken, gibt es ein Leckerlie, ein kleines Spiel oder eine Kuscheleinheit, je nachdem was mein Hund am liebsten mag. Ganz wichtig, danach schicke ich meinen Welpen so oft wie möglich bewusst wieder los und er darf wieder laufen. Rufe ich ihn immer nur, wenn ich ihn z.B. anleinen möchte, wird der Welpe schnell verknüpft haben, wenn ich zurück komme ist der Spaß vorbei. Daher im Schnitt 10 mal rufen und 9 mal davon wieder frei  geben. Einen Spaziergang sollte man immer aufregend gestalten. Immer die gleiche Strecke um den Block ist nicht nur für den Menschen langweilig. Ist der Welpe zu forsch und entfernt sich zu weit vom Menschen, einfach mal spontan hinterm Baum verschwinden, oder die entgegengesetzte Richtung wie der Welpe einschlagen, ihr werdet sehen, das bewirkt wunder. Kurz bevor der Welpe euch gefunden hat, tretet ihr aus eurem Versteck, damit der Hund nicht lernt, euch mit der Nase zu suchen und sich beim nächsten Verstecken denkt, ist  doch egal, die find ich schon wieder, ich kann mir noch Zeit lassen.

So hat man sich in den ersten Wochen schon ein recht sicheren Rückruf erarbeitet.

Erst, wenn der Zwerg mit ungefähr 5 Monaten den Folgetrieb verliert, selbstständiger wird und lieber eigene Ideen umsetzt, kommt dann die Schleppleine zum Einsatz. 

 

 

Halsband oder Geschirr?

 

Ich positioniere mich da mal klar zum Halsband. Ein Geschirr mach für mich lediglich im Zughundesport Sinn, oder wenn der Hund kurzfristig irgendwo angeleint warten soll, vielleicht aufgrund des spitzen Winkels auch noch an der Schleppleine. Denn nur da liegen die Zugpunkte sehr weit unten. Führt man den Hund am Geschirr und die Leine kommt auf Spannung wird der Rücken des Hundes unphysiologisch aufgewölbt. Hinzu kommen selbst bei einem passenden Geschirr Druckpunkte durch das verrutschen, da wir den Hund ja fast immer seitlich von uns führen. Außerdem passen sehr sehr sehr viele Geschirre nicht. Dann legen sie z.B auf dem Schultergelenk. hier sind die Kochen nur von einer dünnen Haut überzogen. Jeder darf jetzt mal seinen Finger auf sein Schlüsselbein legen und zudrücken. Schon leichter Druck ist schmerzhaft. Das gleiche probieren sie jetzt mal an einer beliebigen Stelle am Hals. Sie werden den Unterschied sicher spüren. Hinzu kommt, das der Hals eines Hundes als Beutegreifers auch größerer Tiere, sehr gut bemuskelt ist. Denn z.B. das Reh wird in seinem Todeskampf mit dem Wolf bestimmt nicht stillhalten. Dabei entstehen enorme Kräfte auf die Halswirbelsäule und es wäre schlecht, wenn diese dabei direkt in Mitleidenschaft gezogen werden würde. 

Dennoch sollte der Hund natürlich nicht ständig ziehen. Hierzu lest im Punkt Leinenführigkeit weiter. 

 

Die Leinenführigkeit.

Etwas, was der Hund im Rudel nicht beherrschen muss. Was er aber sehr wohl beherrschen muss, ist es auf die anderen Hunde im Rudel zu achten. Dazu gehört auch, dass man den Rudelchef nicht so einfach überholen darf, oder anrempelt. Auch Wölfe sieht man, wenn sie auf Wanderschaft sind wie an einer Perlenschur aufgereiht hintereinander her traben. 

Das lernt schon der Kleinste bei mir von Anfang an. Das heißt, wenn ich unterwegs bin, läuft ein Welpe bei mir meist noch frei (die Örtlichkeit sollte sich natürlich eignen). Am besten sind recht schmale Waldwege. Den Welpen setze ich dann hinter mir ab und gehe los. Wir wissen ja schon, aufgrund des Folgetriebs wird er uns hinterherlaufen.

Versucht mein vorwitziger Welpe mich nun zum Beispiel links zu überholen, bewege ich meine flache rechte Hand in Richtung Nase des Welpen. 

Durch die Nutzung der rechten Hand, wenn der Hund links vorbei möchte, muss ich mich automatisch mit meinem Körper über den Hund beugen, was für den Hund eine Drohung darstellt. Das ganze begleite ich dann immer noch mit einem gezischten "kscht". Notfalls schiebe ich den Hund an der Brust dann auch noch zurück, sollte er nicht wie gewünscht nach hinten ausweichen. 

Will der Welpe mich rechts überholen nehme ich natürlich die linke Hand. 

Hat der Zwerg begriffen, dass ich nicht überholt werden möchte (dauert meist nur wenige gezielte Wiederholungen), ist die Leinenführigkeit ein Klacks. Denn der Welpe folgt uns und über die Körpersprache signalisieren wir, dass er nicht vorlaufen darf. Die Leine ist dann nur noch proforma dran. Ich habe hier überings sehr oft fremde Gassigeher. Damit auch sie über Körpersprache und nicht über Leinenruck führen, binde ich ihnen die Leine ganz einfach um die Hüfte, damit sie gar nicht erste in Versuchung geraten an der Leine zu zerren.