Rassehunde = Qualzucht?
Sie sind hier auf der Seite eines, wie ich denke seriösen Züchters, was bitte soll der mit Qualzucht zu tun haben?
Aber diese Frage müssen sich aktuell alle seriösen Züchter stellen, denn mit dem in Kraft treten des neuen Tierschutzgesetzes und der neuen Hundeverordnung, haben sich für uns Züchter weitreichende Neuerungen ergeben. Dabei liest sich das Gesetzt an sich gar nicht so schlecht. Im Grunde sollen Schmerzen und Leiden bei Tieren verhindert werden.
Das Problem sind die, sagen wir mal schwammigen Formulierungen, die nun von den vielen Veterinärämtern in Deutschland (jeder Kreis hat sein eigenes) ganz unterschiedlich ausgelegt werden.
Ein schwerer Job und ganz sicher nicht dankbar, müssen die einzelnen Mitarbeiter jetzt entscheiden was ist Zucht und ab wann beginnt eine Qualzucht.
Wenn man an "klassische" Qualzuchtmerkmale von Hunden denkt, die in der Öffentlichkeit immer wieder diskutiert werden und diese z.B. mit dem Tibet Terrier abgleicht, komme ich zu diesem Schluss:
Der Tibet Terrier ist mittelgroß, hat einen normalen Fang, ist frei atmend, hat Haare, eine Rute, keine überlangen Ohren, keine zu kurzen Beine, oder einen zu langen Rücken, keine hervorquellenden Augen, er kann sich normal bewegen, er leidet nicht und hat auch keine Schmerzen, ergo keine Qualzucht.
Aber: Er träg wie eigentlich jedes Säugetier, dazu zählt auch der Mensch, rezessiv vererbte Defektgene in sich. Man munkelt, dass jedes Säugetier mindestens 50 in sich trägt. Beweisen kann man das freilich noch nicht, da man ja noch nicht jedes Genom entschlüsselt hat. Das heißt, dass der Hund der ein solches Defektgen trägt selbst gesund ist und auch nicht erkranken kann. Nur wenn der Hund sich fortpflanzt und sein Partner das gleiche Defektgen trägt, können kranke Nachkommen entstehen.
Nun treffen in geschlossenen Populationen (es werden nur Tibet Terrier mit Tibet Terriern verpaart) wie es bei Rassehunden üblich ist, nicht nur optisch ähnliche Hunde, sondern auch genetisch ähnliche aufeinander. Die Wahrscheinlichkeit, das gleiche Defektgene aufeinander treffen ist daher größer. Oh je, also doch kranke Hunde?
Glücklicherweise sind wir in der Lage, diese Defektgene durch einen Gentest zu identifizieren und können so in einer kontrollierten Zucht vermeiden, das Träger aufeinander treffen. Wenn sie also bei mir einen Welpen bekommen, können sie sicher sein, dass er nicht an einer für den Tibet Terrier identifizierten Genkrankheiten erkranken wird.
Jetzt fragen sie sich, warum man dann nicht einfach keinen Träger mehr in der Zucht einsetzt.
Das liegt daran, dass es sich ja um eine geschlossene Population handelt, dass heißt, dass die Gene jedes Hundes verloren gehen, der keine Nachkommen bekommt. Ich schätze jetzt mal, aus meiner Erfahrung heraus, dass mindestens ein Drittel der Tibis irgendeins der bekannten Defektgene trägt. Würde man diese jetzt alle aus der Zucht nehmen und nur die verbleibenden Hunde der Population nutzen, würde der Inzuchtkoeffizient (Inzucht) zwangsläufig steigen und die Wahrscheinlichkeit, das sich bisher unbekannte Defektgene treffen, würde um ein vielfaches ansteigen. Damit würden dann tatsächlich kranke Hunde entstehen.
Und warum erzähle ich ihnen das, wenn es doch "kein Problem" ist?
Weil mir das Veterinäramt die Zucht mit Trägern verboten hat. Grundlage dafür ist das Gesetz, denn in diesem steht sinngemäß, das man Schmerzen und Leiden bei der Zucht von Tieren für die Nachkommen und wie ich finde prekär, auch für deren Nachkommen verhindern muss.
Nun züchte ich kontrolliert, für meine Nachkommen kann ich Schmerzen und Leid verhindern. Die Nachkommen aus meiner Zucht gebe ich aber an sie ab. Ich bemühe mich zwar nur nette Menschen für meine Zuckermäuse zu finden und kläre auch jeden auf, kann es aber leider nicht verhindern, dass sie womöglich unkontrolliert züchten. Also könnte bei deren Nachkommen Schmerzen und Leid entstehen, ergo wird mir die Zucht mit Trägern untersagt.
Jetzt könnte man meinen ich wäre ein bedauerliches Einzelschicksal, dessen kontrollierende Veterinärin über das Ziel hinausschießt, aber leider scheint es ein groß angelegtes Ziel gegen die Rassehundezucht zu sein.
Nach mir kleinem Licht sind die Veterinärämter jetzt an den VDH heran getreten, das ist der größte deutsche Hundezuchtverein. Die Veterinärämter verhängen aktuell Ausstellungsverbote. Diese gelten teilweise für einige Rassen vollständig z.B. den Mops und die französische Bulldogge. Dann für manche Merkmale, z.B. wenn einem Hund mehr wie ein Zahn fehlt, oder die Rute zu kurz ist, oder er eine bestimmte Farbe hat. Für alle anderen Rassen wurde eine Allgemeinuntersuchung und verschiedenste Gesundheitstest angeordnet. Diese Tests haben es in sich, denn teilweise müssen die Hunde für die Untersuchungen in Narkose gelegt werden und das vielleicht vor jeder Ausstellung von neuem, für z, B. einen Hörtest, Röntgen, oder ein MRT. Es werden Augenuntersuchungen verlangt und Gentest auf Defektgene.
Träger von Defektgenen dürfen teilweise ebenfalls nicht ausgestellt werden. Welche Hunde genau auf der Liste stehen und welche Anforderungen erfüllt werden müssen, legt dabei jedes Veterinäramt alleine fest. Selbst große Hundeshows mit angeschlossener Messen z.B. in Neumünster wurden deshalb abgesagt. Die meisten Zuchthunde erfüllen zwar die geforderten Auflagen, aber alle anderen (selbst die Hunde der Besucher der Messe hätten diese Auflagen erfüllen müssen) sagten dann wohl ihre Teilnahme ab.
Selbst nur die geforderte Allgemeinuntersuchung, die der eigene Tierarzt durchführen kann, wird sich kostentechnisch vermutlich um 150 bis 200 Euro belaufen. Manch ein Tierarzt wird diese auch gar nicht ausführen, begibt er sich in die Gefahr rechtlich belangt zu werden, sollte er ein Qualzuchtmerkmal anders bewerten, wie das der Veterinär beurteilt.
Hat man Pech und die Rasse steht noch in der Pflicht weitere Untersuchungen nachzuweisen werden die Kosten natürlich deutlich höher.
Ja gut, so eine Show ist doch auch eigentlich nicht Lebensnotwendig, geht man halt einfach nicht hin, oder?
Erstens werden auf solchen Hundeshows für die Zuchtzulassung im VDH nötige Beurteilungen der Hunde erstellt, es kommt also einem Zuchtverbot gleich.
Und zweitens gilt das Ausstellungsverbot nicht nur für Hundeshows, sondern für alle Veranstaltungen, bei denen Hunde sich zeigen und ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen. Wie zum Beispiel im Hundesport, in Mantrailingprüfungen, auf der Begleithundeprüfung, bei Diensthundeprüfungen, bei Jagdhundeprüfungen, ....
Dies führt zu einer extremen Benachteiligung für Rassehunde, denn z.B. kann ein Sporthund dann seiner Passion im Agility nicht mehr nachgehen, weil ihm ein Zahn fehlt, oder wahlweise dem Halter gerade das Kleingeld, um die nötigen Gesundheitstest vor jeder Prüfung aufzubringen.
Ich gebe zu, auch in der kontrollierten Zucht läuft nicht alles nach Plan, und so manches Qualzuchtmerkmal wurde bagatellisiert. Bestimmt müssen auch Züchter umdenken, die aktuellen Forderungen sind jedoch nicht zielführend. Denn zum einen schränken sie die Zucht derart ein, dass sie kontrolliert nicht mehr weiter geführt werden kann, zum anderen betrifft es ausschließlich die Zucht, die auch kontrolliert wird.
Ein Großteil der Zucht läuft unter dem Radar, ohne Vereinsmitgliedschaft (also ohne Papiere), ohne Kontrollen durch das Veterinäramt (eine Zulassung durch dieses benötigt man erst ab 3 Zuchthunden), oder eben im Ausland. Hier wird sicher schon aufgerüstet, um die demnächst höhere Nachfrage nach günstigen Rassehunden leisten zu können. Praktischer weise, fragt hier niemand nach Untersuchungen und Qualzuchtmerkmalen und niemand kontrolliert!
Bleibt noch zu klären, braucht man überhaupt Rassen?
In Deutschland wird unseren Hunden und auch deren Haltern sehr viel abverlangt, sie müssen sich in Familien einfügen, mit hohen Reizen in ihrer Umwelt klarkommen, sind für viel Menschen Sozial- und oder Sportpartner und haben eine Vielzahl an Aufgaben und Erwartungen zu erfüllen. Die Haltung eines Hundes erfordert schon unter optimalen Bedingungen, Wissen und Fähigkeiten, um für den Halter, den Hund und den unbeteiligten Dritten ein entspanntes Miteinander zu ermöglichen.
Rassen bedeuten ein hohes Maß an Vorhersagbarkeit für Größe, Pflegeaufwand, Wesensmerkmale, oder das Maß an Bewegungsbedürfnis. Zudem wird neben den gesundheitlichen Aspekten auch die Aufzucht überwacht. Die Welpen werden in kontrollierter Zucht sozialisiert, das heißt sie werden auf das Leben hier vorbereitet. Überings ist auch das gesetzlich verankert! Jeder Züchter ist gesetzlich verpflichtet, sich mindestens 4 Stunden am Tag mit seinen Welpen zu beschäftigen und sie so an den Menschen und unsere häufig urbane Umgebung zu gewöhnen. Das ist eine Forderung, der ich als Züchter gerne nachkomme und für sehr wichtig halte.
Der Hund aus dem Ausland, der z.B. auf der Straße groß geworden ist, hat eine ganz andere Sozialisation hinter sich, wie unsere Rassehunde. Ich vergleiche das gern mit dem heimischen Reh. Das hat auch kein kuscheliges Sofa, keine medizinische Versorgung und der Jäger trachtet ihm manchmal nach dem Leben. Niemand kommt jedoch auf die Idee, das Reh aus dem Wald zu sich nach Hause zu holen, in dem Glauben mit viel Liebe kriegen wir das schon hin. Sicher kann auch ein Hund aus dem Auslandstierschutz ein toller Weggefährte sein.
Es erfordert jedoch häufig deutlich mehr Wissen, vor allem praktische Erfahrung im Umgang und manchmal auch die Einsicht, das ein Hund kein Sozialpartner für den Menschen sein möchte und trotz aller Entbehrungen lieber weiter auf der Straße leben würde.
Leider ist das Herz eines Tierschützers aber manchmal blind für diese Realität.
Bei einem Welpen aus dem Tierschutz, oder auch dem Mischling vom Ups-Wurf ist oft nicht vorherzusagen wie sich dieser in Größe, oder Verhalten entwickeln wird.
Dies erfordert von Menschen ein hohes Maß an Flexibilität, um sich dann vielleicht auf den Herdenschutzhund einzustellen, oder den ambitionierten Jagdhund, der eigentlich nur ein gechillter Familienhund sein sollte.
Eine Einfuhr von Welpen ist zudem legal innerhalb der EU erst ab der 15. Woche möglich, bis dahin ist die Grundsozialisierung beinahe abgeschlossen.
Und wenn man sich unsere Tierheime ansieht, ist dort in den meisten Fällen nicht der seriös gezüchtete Rassehund aus einer kontrollierten Zucht zu finden. In aller Regel suchen sich die Züchter ihre zukünftigen Welpenkäufer gut aus. Sie informieren über Wesen, und Ansprüche der Rasse und seines Welpen im speziellen. Geht dann doch einmal etwas schief (denn auch Rassehunde sind Individuen und möchten manchmal nicht alle Wünsche ihrer Halter erfüllen), kümmern sie sich um ihre Nachzuchten, nehmen sie zurück oder suchen selbst ein neues Zuhause.
So ist das zumindest bei mir!